Der Wind dreht.4. Horumersieler Literaturtage
8. bis 10. Juni
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Warum ich manchmal ein Fisch bin

Anne Krüger

Also manchmal bin ich ja ein Fisch, wissen Sie? Das glauben Sie mir nicht? Ist aber so, ehrlich. Manchmal wachsen mir Flossen, wo sonst immer meine Beine sind, mein Körper schrumpft zusammen und bedeckt sich mit Schuppen.
Ich werde dann wahnsinnig klein, springe in eine Mineralwasserflasche oder ein Cocktailglas und mache nur ab und zu blubbernde Geräusche. Und irgendwann, wenn ich genug von meinem Fischdasein habe, verwandle ich mich wieder zurück. Ich achte sorgfältig darauf, dass kein Mensch in der Nähe ist, wenn sich diese Veränderungen vollziehen, denn ich möchte keinen schlechten Eindruck erwecken. Mal ehrlich, was würden Sie von jemandem halten, der in einer Mineralwasserflasche herumschwimmt, womöglich noch in Ihrer? Nein, ich halte meine Metamorphosen unter strenger Kontrolle. Nur mein Mann weiß Bescheid, und auch das nur deshalb, weil er mich einmal dabei erwischt hat, wie ich im Abwaschbecken herumplanschte, statt das Geschirr zu spülen. Im ersten Schockmoment wollte er mich ins Klo werfen. Ich konnte mich gerade noch zurückverwandeln. Wir waren beide ganz schön fertig.
Wie lange geht das schon so, hat er mich gefragt.
Weiß nich, habe ich gesagt und mit den Achseln gezuckt, vielleicht seit ein paar Monaten.
Ich habe gar nichts gemerkt, hat er gesagt und sich auf den Klodeckel gesetzt. Er tat mir leid, aber was hätte ich sagen können? Ich habe mich abgetrocknet und mir die Haare geföhnt.
Schließlich hat er sich beruhigt und eingesehen, dass es weitaus schlimmere Hobbys gibt als jenes, das ich pflege.
Zum Beispiel Kriege führen, habe ich gesagt, oder Atomkraftwerke bauen.
Hast ja recht, hat mein Mann gesagt, was rege ich mich eigentlich so auf.
Er hat sich entspannt und wir gingen ins Kino. Unter anderem deshalb, weil er Psychologe ist, hat ihm die ganze Sache aber keine Ruhe gelassen.
Warum machst du so etwas, hat er mich mitten im Film gefragt.
Pscht, hab ich gesagt, pscht.
Kompensierst du da was, hat mein Mann geflüstert.
Pscht, habe ich gemacht. Pscht, hat jemand hinter uns gemacht.
Gewissermaßen ist das ja eine Ich-Flucht, hat mein Mann geflüstert.
Ruhe da vorne, hat jemand gerufen. Pscht, habe ich gesagt.
Ich will mich ja nicht einmischen, hat mein Mann gezischt, aber pass nur auf, dass es nicht außer Kontrolle gerät.
Was, habe ich geflüstert, wovon redest du denn.
Pscht, hat wieder jemand gemacht.
Na dieses Verwandeln, hat mein Mann gesagt, nachher verselbständigt sich das noch. Geh nach Hause, hat jemand gerufen. Pscht, habe ich gesagt und mir weiter keine Gedanken gemacht. Ich hatte alles im Griff! Dachte ich jedenfalls.
Neulich jedoch saß ich mit Geschäftspartnern beim Essen. Es war einer dieser heißen Tage, wo einem das Wasser in Sturzbächen vom Körper rinnt. Wir hatten gerade bestellt und ich nippte an meiner Weißweinschorle. Plötzlich merkte ich, dass meine Zehen in den hohen Schuhen wie wild zu zucken begannen. Dieses Anzeichen kannte ich. Mein Körper signalisierte mir überdeutlich, wonach ihm gerade war, nämlich nach einer Verwandlung in einen Fisch. Das kam natürlich gar nicht in Frage. Ich nehme meine Arbeit normalerweise sehr ernst und würde nie etwas tun, um Kunden zu verprellen. Also versuchte ich, die Nerven zu behalten und lächelte bemüht in die Runde. Der Herr zu meiner Linken begann, mich in ein belangloses Gespräch zu verwickeln. Ich nickte, warf ab und an einen Wortfetzen hin und dachte die ganze Zeit nur eines: Jetzt nicht, jetzt nicht, jetzt nicht. Meine Haut begann zu jucken. Ich rieb mein Handgelenk. Zu meinem Entsetzen stellte ich fest, dass sich erste Schüppchen zu bilden begannen. Ich schob die Bluse wieder über den Arm.
Alles in Ordnung, fragte der Mann neben mir. Ich nickte.
Blubb, machte ich. Eigentlich hatte ich etwas anderes sagen wollen. Aber Pustekuchen. Es ging nicht.
Blubb, sagte ich wieder.
Jaja, sagte der Mann, Sie haben ganz recht. Er schien gar nicht zu merken, was mit mir passierte.
Blubb, rief ich. Natürlich, sagte der Mann, sehr treffend gesagt, meine Liebe. Ich sprang auf. Eine unfreiwillige Verwandlung in einen Fisch stand offenbar kurz bevor. Ich entschuldigte mich, blubb, blubb, blubb und stürzte zur Damentoilette. Schon unterwegs wurden meine Beine butterweich. Ich schaffte es gerade noch bis zum Waschbecken. Ich stopfte mein Taschentuch in den Abfluss, drehte den Wasserhahn auf, dann wieder zu und flutsch, sprang ich hinein. Sofort ließ aller Stress von mir ab. Ich fühlte mich wie neugeboren.
Leider betrat meine Kollegin den Raum. Sie öffnete ihre Handtasche und kramte darin herum. Ich hielt ganz still und betete, dass sie mich nicht entdecken würde. Dabei war ich kaum zu übersehen. Ich bitte Sie, ein ca. 20 cm langer Fisch, der in einem Damentoilettenwaschbecken schwimmt! Zurückverwandeln konnte ich mich aber auch nicht, dann wäre ja mein Geheimnis bekannt geworden. Ich steckte in einer ganz schönen Zwickmühle.
Meine Kollegin hielt jetzt einen Lippenstift in der Hand, trat vor einen der Spiegel und bemalte sich den Mund neu. Als sie fertig war, steckte sie den Lippenstift weg, grinste sich im Spiegel an und verschwand wieder. Glück gehabt, dachte ich, nun aber nichts wie raus hier. Ich wedelte mit den Flossen. Nichts geschah. Das konnte doch nicht wahr sein. Irgendwie hatte sich der Fisch in mir verselbständigt! Mein Mann hatte recht behalten. Ich ähnelte Dr. Jekyll und der Fisch war Mister Hyde. Wenigstens wollte er niemanden umbringen, sondern bloß ein bißchen baden. Das beruhigte mich allerdings kaum. Verzweifelt schlug ich mit einer Flosse gegen das Waschbecken. Hilfe, wollte ich rufen, aber da kam nichts als: Blubb!
Und dann, was auch immer der Auslöser gewesen sein mag, verwandelte ich mich in mich zurück. Triefend nass stand ich da und schlotterte mit den Zähnen. Natürlich hatte ich kein Handtuch dabei. Ich versuchte,
meinen Mann anzurufen, doch er ging nicht an sein Handy. Und nun? Ich beugte mich unter den Händetrockner und ließ warmen Wind in mein Gesicht pusten. Nur langsam verschwand die Nässe von meiner Haut. Ich ahnte, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis jemand nach mir
sehen würde. Leider konnte ich den Trocknungsprozess nicht beschleunigen. Während der Händetrockner arbeitete, tupfte ich mich mit Papierhandtüchern ab.
Was machst du denn da, fragte meine Kollegin. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass sie herein gekommen war. Sofort kroch ich unter dem Händetrockner hervor. Das Brummen verstummte.
Na was soll ich schon machen, antwortete ich, irgendwie muß man ja die Zeit totschlagen, bis das Essen endlich da ist.
Der Abend wurde dann ganz nett, und meine Kollegin kam nicht noch einmal auf die seltsame Situation zurück, in der sie mich ertappt hatte.
In der Nacht führte ich ein ausführliches Gespräch mit meinem Mann.
Was soll ich nur tun, fragte ich. Wir saßen beim Schein der Nachttischlampe im Schlafzimmer. Mein Mann überlegte. Ich wußte, wie sehr er es haßte, nicht weiter zu wissen. Er wollte immer allen helfen und mir natürlich besonders.
Wenn wir, so sagte mein Mann nach einigem Überlegen, mal davon ausgehen, dass dieser Fisch ein Teil von dir ist.
Ich unterbrach ihn.
Der ist kein Teil von mir, sagte ich.
Pscht, sagte mein Mann, nun lass mich doch mal ausreden. Ich presste die Lippen aufeinander. Also, fing mein Mann nochmal an, wenn wir davon ausgehen, dass der Fisch einen Teil deiner Persönlichkeit repräsentiert, dann wäre es vielleicht klug, sich die Frage zu stellen, wie er sich besser integrieren lässt.
Ich verstehe kein Wort, sagte ich.
Mein Mann blieb geduldig. Das muss er schließlich können, bei seinem Beruf. Er ist Psychologe, habe ich das schon erwähnt?
Sagt dir der Ausdruck Krankheitsgewinn etwas, fragte er. Ich schüttelte den Kopf.
Doch, halt, sagte ich, Krankheitsgewinn beschreibt das, was ich davon habe, krank zu sein, aber ich bin ja gar nicht krank.
Aber du mußt schon zugeben, dass du heute sehr darunter gelitten hast, plötzlich ein Fisch zu sein, sagte mein Mann.
Stimmt, gab ich zu.
Na siehste, sagte mein Mann befriedigt, als ginge es ihm darum, recht zu haben und nicht darum, mir zu helfen.
Ich schlug die Hände vorm Gesicht zusammen.
Na komm, sagte mein Mann, vielleicht müssen wir auch einfach etwas tiefer in deiner Vergangenheit graben, so richtig analytisch, aber heute bin ich zu müde. Wir zogen uns aus und löschten das Licht.
Am nächsten Tag mußte ich natürlich ins Büro, aber abends setzte ich mich mit meinem Mann zusammen. Möglicherweise hatte er recht und die Lösung des Problems war tatsächlich in meiner Vergangenheit zu entdecken.
Ich möchte Sie nicht mit all den Details langweilen, die wir aufdeckten, all den Sachen, die mir nach und nach einfielen. Dass ich schon immer eher schüchtern gewesen war, dass mir manchmal die Worte fehlten, dass mein Lieblingskuscheltier eine Stoffkaulquappe gewesen war und dergleichen. Das brachte uns einer Lösung nur unwesentlich näher.
Sag mal, sagte ich mitten in unserer Sitzung, das Aquarium muß aber auch mal wieder gereinigt werden. Mein Mann warf einen Blick nach hinten, wo unser Aquarium stand.
Stimmt, sagte er, Schwiegermama soll sich ja wohl fühlen, auch wenn sie manchmal etwas nervt.
Rede nicht so über meine Mutter, warnte ich ihn, immerhin verdankst du ihr, dass es mich gibt und überhaupt, so schlimm ist sie gar nicht.
Wir schauten beide auf meine Mutter, die langsam ihre Bahnen schwamm, als könne sie kein Wässerchen trüben.

„Möchten Sie eine Gurke?“

Das frische Leben auf der Insel Hachijojima, einem ‚Stadtteil’ von Tokio

Renata Lucic

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„Möchten Sie eine Gurke?“

Das frische Leben auf der Insel Hachijojima, einem ‚Stadtteil’ von Tokio

Renata Lucic

Gurken sind die Leibspeise der grünen Fabelwesen Kappa, verrät uns Akutagawa Ryûnosuke in seiner gleichnamigen Erzählung. Kappa sind nicht nur gurken- sondern auch wasserverrückt. Ihr Kopf verjüngt sich zu einer Schale, in der immer Wasser sein muss. Versiegt es, sterben sie.
Die japanische Insel Hachijôjima wäre zweifellos ein Kappa-Paradies, obwohl, oder gerade deshalb, weil sie auch für Menschen eines ist.
Überall schäumen hier einem die heißen Onsen-Quellen oder die eiskalten Gebirgswasserfälle entgegen und geben der Insel, die womöglich auf einem Kappa-Kopf getragen wird, ihr Leben.
Wenn wir schon bei Gemüse und Geschichten sind: Vor einigen Jahrzehnten gab es auf NHK eine Puppenspiel-Sendung mit dem Namen Hyôtanjima, „die Flaschenkürbis-Insel“. Der Schauplatz der Abenteuer, in die sich die Puppen stürzten, war Hachijôjima, die sich uns aus der Vogelperspektive in Flaschenkürbisform präsentiert. Dass dort außerdem die Flaschenkürbissranken die Gärten schmücken und viele ‚Aussteiger’ zu Hause sind, ist bestimmt kein Zufall.
Der Inselkürbis besteht aus zwei Bergen, dem Hachijô-Fuji und dem Miharayma, wovon der eine weiblich und der andere männlich sein soll. Deshalb wurde
Hachijôjima – nicht von Puppen, sondern von buddhistischen Priesterinnen – als eine Insel mit besonders ausgewogenem Yin-Yang-Verhältnis bezeichnet. Trotzdem gibt es viele Legenden, die der Insel starke Frauen preisen und berichten, dass Hachijôjima auch den Namen Onnanokuni, „das Frauenland“, trug.
Ja, Hachijôjimas Inselfrauen sind stark, doch die Männer sind es nicht weniger.
Traut man den Produkten aus einem der wenigen Touristenshops der Insel, könnte man meinen, die Menschen auf Hachijôjima wären deshalb so stark und gesund, weil sie brav die Heilpflanze Ashitaba, eine entfernte Verwandte von Sellerie, äßen. Natürlich isst man hier Ashitaba, doch man tut es alles andere als brav.
Mari Tange, eine der Powerfrauen, verrät uns wie: „Ashitaba geht doch nur im Dreierpack. Du weißt schon, zusammen mit Kusaya und Shôchû!“
Ich lass mir Shôchû, den Kartoffelschnaps, einschenken und tue natürlich so, als ob ich bestens eingeweiht wäre.
Immerhin will ich ja noch Kusaya probieren.
Nein, ich lasse mich von so was wie Namen nicht abschrecken.
Was heißt hier schon „Stinkfisch“? Natürlich stinkt er – doch er tut es einladend und schmeckt hervorragend. Hätte ich vor dem Kosten gewusst, dass diese in der Sonne getrocknete Makrele erst in eine Fischinnereienlake getunkt wurde, hätte ich womöglich erst den Namen Kusaya eine Weile länger auf der Zunge schmelzen lassen. Und mich erst hinterher auf den Fisch selbst gestürzt. Doch selig sind die Unwissenden und die Reisenden, und so genieße ich den Fisch, Ashitaba und Shôchû, höre Maris Geheimrezepten zu und merke, dass ich hinter das Geheimnis, warum diese Menschen hier alle so unheimlich stark wirken, immer noch nicht so ganz
gekommen bin.
Bestimmt ist es auch das Essen.
Ich habe ihn doch selber am ersten Tag auf der Insel erfahren, diesen Energieschub, durch ein Lebensmittel verursacht. Es war ein Lebensmittel, das seinem Namen im buchstäblichen Sinne gerecht wurde. Dabei musste ich es nicht mal essen.
Es war eine Gurke, und ich zwar Ausländerin, aber bestimmt kein Fabelwesen, kein grüner Kappa. Dass derartige Identitätskategorien hier herzlich wenig zu sagen haben, merkte ich erst nach und nach, was sich auch als ein äußerst bekömmliches Lebensmittel erwies.
Ich konnte ein Kappa sein, ich hätte aber auch gut selbst eine Gurke sein können, es kümmerte keinen und es tat gut.
Also die Gurke:
Eine Frau, der ich auf dem Weg zum Strand begegnete und mit der ich gerade mal ein paar Floskeln ausgetauscht hatte, verblüffte mich plötzlich mit der Frage: „Möchten Sie eine Gurke?“
In Tokio – wohlgemerkt ist diese Insel Hachijôjima, die als letzte der sieben Izu-Inseln ca. 300 km. von Tokio entfernt im Pazifik liegt, verwaltungstechnisch ein Teil der Hauptstadt – doch in Tokio werden einem bestenfalls mit Werbung bedruckte Taschentücherpackungen in die Hand gedrückt, doch keine Gurken.
Ich, um eine Gurke und ein Schmunzeln
um die Mundränder reicher, setzte meinen Weg fort und ahnte noch nicht, dass es hier nicht bei einer Gurke bleiben wird. Doch wie könnte es, in diesem Schlaraffenland!
Ein paar Tage nach der Gurke erwartete mich auf meiner Terrasse eine Wassermelone. Daraufhin ein bunter Teller Sushi. Was ist das hier für ein Spiel?
Wiederum eine Legende berichtet von einem für seine Spiellust und seine Leckereien bekannten Bergweib, Yamamba. Von Zeit zu Zeit stieg es abends in die Dörfer hinab und lud die Menschen zum Spielen ein. Gingen diese darauf ein, fanden sie am Morgen vielerlei Köstlichkeiten in ihren Gärten vor.
Yamamba gibt es auf Hachijôjima tatsächlich! Es ist ein Restaurant, das drei Mal wöchentlich Insel-Spezialitäten anbietet. Wo die Verbindung mit dem Bergweib liegt? Wahrscheinlich im Spiel.
Die Köche sind nämlich Menschen, die geistige oder körperliche Behinderungen tragen, sich von diesen aber nicht Essig in die Suppe kippen lassen und stattdessen Suppen und dergleichen hervorzaubern. Sie tun es spielerisch, was sie wiederum mit allen anderen Menschen auf Hachijôjima verbindet.
Die Trennung in ‚normal’ und ‚anders’ gibt es auf dieser Insel sowieso kaum.
Die ganze Edo-Zeit hindurch, während der Herrschaft verschiedener Shogune, diente diese Insel als eine Art Strafkolonie. Insgesamt wurden so um die 1800 Menschen auf die Insel geschickt, anfangs hauptsächlich politische Verbrecher’. Doch abgesehen von Einschränkungen, die ihnen offiziell auferlegt wurden, stand den Neuankömmlingen nichts im Wege, bald zu Insulanern zu werden. Nicht nur nicht diskriminiert, sie wurden respektiert, weil viele von ihnen aus gebildeten Familien stammten und spannende Geschichten mitbrachten. Sehr bald fiel ihnen der niedrige Bildungsstand auf der Insel auf, und sie machten sich an die Erziehung heran. Da sie aus unterschiedlichsten Regionen Japans kamen, ist die heutige Hachijôjima nicht nur an Wasser und Früchten reich, sie verfügt auch über einen seltenen Reichtum an ungewöhnlichen Volksliedern und den traditionellen Obon-Tänzen.
Und natürlich an ungewöhnlichen Menschen. Schon längst muss man nicht mehr auf die Insel vertrieben werden, sie ist eher eine Art versprochenes Land.
Auch wenn man, wie Murata Nobuko als Lehrerin arbeitet oder wie Masa den Kälbern auf Fureaibokujô, der „Begegnungs-Ranch“, auf die Welt hilft, macht man keine Überstunden, sondern hat ganz viel Zeit, um aus Treibholz mal eine Tänzerin, mal ein Buttermesser zu schnitzen.
Anstatt Tausende von Yen im Tokioer Bastler-Kaufhaus Tokyû-Hands zu verschwenden, geht man zum Strand und schaut, was das Meer heute so auf dem Lager hat.
Apropos viel Zeit haben: Mari Tange verrät mir noch ein Geheimnis der Insel: Sie wird nicht nur von Menschen, sondern auch von Regenbögen geliebt.
Deshalb gilt für Maris Klavierschüler eine besondere Regel: Falls während des Unterrichts irgendwo ein Regenbogen erscheint, wird die Stunde unterbrochen. Coole Arbeitsregelung für eine Bewohnerin von Tokio!
Nach und nach komme ich hinter das Stärkegeheimnis der hiesigen Menschen und bemühe mich, seltener ein Handy und häufiger Gurken in der Tasche zu tragen.